Jugendliche einmal im Jahr an ihre Grenzen bringen – Interview mit Frau Faak zur Woche der Herausforderung

Schülerzeitung: Vielen Dank, Frau Faak, dass Sie hier sind. Was hat sie zur Woche der Herausforderung inspiriert?

Frau Faak: Das war ein Besuch in einer Hamburger Schule, die das durchgeführt hat. Und dann habe ich dazu einen Artikel im Spiegel gelesen und da stand drin, was das für die Jugendlichen bringt, wenn sie einmal im Jahr an ihre Grenzen gebracht werden. Wenn sie also wirklich was machen, wovon sie vorher dachten, dass sie das nie schaffen, und dann ganz stolz nach der Woche sind. Ich fand diese Idee total spannend. In dem Artikel steht, dass Jugendliche in der Pubertät eigentlich keinen Bock auf Schule haben und alles andere wichtiger ist. Die Erfolge in der Woche der Herausforderung motivieren, sodass man sich dann viel besser wieder den schulischen Aufgaben widmen kann.

Schülerzeitung: Was ist das Ziel der Woche der Herausforderung?

Frau Faak: Jugendliche sollen eine Grenzerfahrung erleben: Was traut man sich zu und was kann man nicht gut? Es gibt ein Beispiel aus den vergangenen Jahren, da hat sich ein Junge in die Herausforderung „eine Woche von den Früchten des Waldes als Pfadfinder leben“ eingetragen. Am Mittwoch hat er gesagt, das macht er nie wieder. Der hatte wirklich alles mitgemacht: gehungert, nachts gefroren, die Gruppe hat gestresst. Und dann, als er den Donnerstag geschafft hatte, ist er aufgeblüht und sagte, er hätte nie gedacht, dass er das schafft. Das finde ich eine ganz großartige Sache, wenn Schüler das selbst so erleben und erfahren dürfen.

Schülerzeitung: Na dann, denken Sie, dass die Woche der Herausforderung den Schülern hier hilft, Interessen eventuell sogar fürs Berufsleben zu entdecken?

Frau Faak: Ja, tatsächlich denke ich das. Die Graffitiwand ist grandios! Da konnten einige schon künstlerische Begabung entdecken und können sich vorstellen, das weiterzuentwickeln. Dann war ich gestern bei einer Lehrkraft, die webt. Das habe ich mir angeguckt und da war ich doch sehr überrascht, dass da zwei junge Männer saßen. Sie hatten offensichtlich Spaß und ich habe ihnen vorgeschlagen, dass sie damit mal Geld verdienen könnten. Sie haben großartige Designs kreiert und stellen daraus eine Handytasche her. Der Kurs war voll.

Schülerzeitung: Welche Vorteile hat die Klassen- und Jahrgangsmischung bei den Herausforderungen für die Schülerinnen?

Frau Faak: Am Mittwoch, am dritten Tag der Herausforderung, geht man sich in der Gruppe oft maßlos auf die Nerven. Und wenn man dann auch noch homogene Gruppen hat, Acht- oder Neuntklässler*innen, die schwer mit ihren Hormonen zu tun haben, die da durch den Körper jagen, dann glaube ich, dass es noch schlimmer ist, als wenn es eine Mischung gibt, wo die Zehntklässler*innen sagen, komm, krieg dich mal ein, und die Siebtklässler*innen gar nicht wissen, was mit denen los ist. Also ich glaube, dass es einfacher zu handeln ist. Es ist wie in einer Familie: Alle können miteinander, machen miteinander und jeder darf sich so einbringen, wie er gerne möchte. Beim Weben ist es egal, ob jemand in der 7. oder der 10. Klasse ist.

Schülerzeitung: Wie plant man so eine komplizierte Woche eigentlich?

Frau Faak: Es gibt eine AG der Lehrkräfte zur Woche der Herausforderung, die sich sehr, sehr intensiv damit befasst und sehr zeitig mit der Planung anfängt. Sie entwickeln viele Ideen und haben ganz schön Arbeit, weil sie natürlich auf ganz viele Zuarbeiten angewiesen sind. Die Lehrkräfte müssen etwas Interessantes anbieten und die Schüler*innen müssen sich einwählen. Ich finde es sehr schade, dass manche Schüler*innen es nicht schaffen, sich einzuwählen, obwohl das eine Woche ist, in der man seinen eigenen Interessen nachgehen kann. Ich finde es großartig, dass dann die Gruppe Tagesherausforderungen für diese Schüler*innen festlegt. Ich finde es auch gut, dass die Woche der Herausforderung diesmal nicht in der letzten Schulwoche stattfindet. Ich weiß noch nicht, ob die Beteiligung der Schüler besser ist. Ich würde es mir wünschen, da ja diese Fehlzeiten noch mit aufs Zeugnis kommen. Vielleicht kommen die Schüler*innen erstmal nur aus diesem Grund und stellen dann fest, dass ihnen die Herausforderung tatsächlich Spaß macht.

Schülerzeitung: Was sind denn eigentlich Ihre Aufgaben in der Woche der Herausforderung?

Frau Faak: Ich habe unendlich viele Termine, auch Auswärtstermine, und ich habe morgen zum Beispiel den ganzen Tag ein Stellenbesetzungsverfahren für die neue Musik-Fachbereichsleitung. Heute war ich bei einem runden Tisch im Rathaus zu Einbrüchen in Schulen. Da gab es einen Austausch mit dem Landeskriminalamt, mit Vertretern des Bezirkes und ausgewählten Schulleitern. Ich war für die Sekundarschulen dort. Am Montag habe ich alle Notenlisten auf Richtigkeit geprüft und hatte dazwischen noch Termine. Nachher kommt der Mitarbeiter von der Druckerei, mit dem ich das neue Logbuch nochmal durchspreche, ob alles in Ordnung ist und dann läuft auch das. Mit den Sekretärinnen und der Verwaltung habe ich die ganzen Veranstaltungen durchgeplant, die jetzt am Jahresende sind, was wird gebraucht, was muss besorgt werden und solche Sachen. Gestern gab es dann noch einen Vorfall bei einer Tagesherausforderung, um den ich mich kümmern musste. Fünf Jungs konnten sich nicht benehmen. Dank dieses Vorfalls haben wir heute in mehreren Teams ganz saubere Tische.

Schülerzeitung: Welche Angebote für die Woche der Herausforderung haben Ihnen denn in den letzten Jahren besonders gefallen?

Frau Faak: Die Graffiti-Wand. Ich bin überhaupt kein Freund von Graffiti. Das ist auch nicht meine Generation. Ich finde es auch viel zu schreiend, viel zu bunt, viel zu grell. Aber das hat mir gefallen. Auch das Pfadfinder-Projekt, von dem ich schon erzählt habe, fand ich sehr schön. An meiner alten Schule haben wir für eine Woche auf dem Bauernhof im Stroh kostenlos geschlafen. Essen und Unterkunft musste man sich durch Mithilfe auf dem Bauernhof verdienen. Dazu gehörten: Tiere sauber machen, Stroh und Heu den Tieren geben. Ich finde es im Gegensatz dazu nicht so schön, eine ganze Woche Fußball zu spielen. Das ist keine Herausforderung. Auch mit dem Fahrrad von Berlin an die Ostsee zu fahren, finde ich sehr spannend, oder mit dem Fahrrad über die Alpen. Ich bin einmal 100 Kilometer mit den Schüler*innen geskatet. Das könnte man hier auch machen. Ich würde auch Gebärdensprache eine gute Herausforderung finden.

Schülerzeitung: Sollte man sich für die Woche der Herausforderung entscheiden, weil man die Herausforderung spannend findet oder weil seine Freunde eine Herausforderung sind?

Frau Faak: Ganz klar, weil die Herausforderung so spannend ist, dass ich da gar nicht Nein sagen kann. Unbedingt deswegen. Aber das eine lässt sich mit dem anderen verbinden. Es gibt garantiert immer einen Freund, der das auch spannend findet. Und einer reicht ja schon.

Schülerzeitung: Kriegen Sie auch Kritik zur Woche der Herausforderung? Wenn ja, wie reagieren Sie darauf?

Frau Faak: Von Eltern und Schülern habe ich noch nie Kritik bekommen. Im Kollegium war es immer eine Diskussion, wann die Woche der Herausforderung stattfinden soll. Die Hamburger Schule macht sie am Anfang des Schuljahres, weil man den Motivationseffekt dann für das ganze Schuljahr mitnehmen kann. Das kam bei uns nicht so gut an, weil man erstmal den Unterrichtsstoff schaffen muss. Aus diesem Grund können wir leider auch keine dreiwöchigen Herausforderungen anbieten. Mir ist vor allem wichtig, dass die Woche der Herausforderung erhalten bleibt.

Schülerzeitung: Wie finden Sie die Idee einer Schülerzeitung?

Frau Faak: Großartig. Ich finde es toll, dass sich Schüler*innen dafür finden. Unser neues Schulgebäude hat sogar einen eigenen Schülerzeitungsraum, den ihr nutzen könntet. Das zeigt auch, wie wichtig das der Senatsverwaltung für Bildung offensichtlich ist.

Schülerzeitung: Unsere letzte Frage wäre, was würden Sie nächstes Jahr an der Woche der Herausforderung verändern?

Frau Faak: Ich würde herausfordernde Schülergruppen nicht mehr alleine losschicken.
Ansonsten würde ich mir noch andere Herausforderungen wünschen, die wir bisher noch nicht hatten. Zum Beispiel ist mir aufgefallen, dass wir vier oder fünf Fahrradherausforderungen haben. Das ist sehr schwierig durchzusetzen, weil manche Schüler*innen an dem Tag kommen und gar kein verkehrstüchtiges Fahrrad haben. Statt fünf verschiedenen Fahrradtouren könnte man z.B. die Pfadfinder-Herausforderung oder die Arbeit auf dem Bauernhof oder ähnliches anbieten. Oder den Verkehrsgarten neben der Schule in Ordnung bringen oder andere ehrenamtliche Tätigkeiten ausüben.

Schülerzeitung: Vielen Dank für das Interview, Frau Faak!

Foto: Mila Ngo, 7.r2
Dieser Beitrag ist im Rahmen der Herausforderung Schülerzeitung während der Woche der Herausforderung entstanden.